300 JAHRE SPORTHISTORIE - Als Liechtenstein vor 300 Jahren seine Souveränität erlangte, waren sportliche Aktivitäten hierzulande noch auf lange Zeiten hinaus völlig unbekannt. Während im griechischen Altertum schon über 1000 Jahre v. Chr. Olympische Spiele ausgetragen wurden, sind in Liechtenstein sportähnliche Hinweise erst seit anno 1789 aktenkundig. Sport im heutigen Sinne indes wurde erst knapp 200 Jahre später – sprich ab 1900 gesellschaftsfähig.
Im Souveränitätsjahr 1806 war das Fürstentum noch ein bettelarmer Bauernstaat mit rund 7000 Einwohnern. Damals hatte man alle Hände voll zu tun, sich und die Seinen durch harte Arbeit über die Runden zu bringen. Freizeit kannte man nicht. Sport war ein Fremdwort.
In der Geschichte Liechtensteins wird als erster sportnaher Verein um 1789 die «Schützengesellschaft Eschen» erwähnt. 1827 und 1850 folgten Schützenvereine in Vaduz und Bendern. Diese Schützengesellschaften führten zwar Scheibenschiessen durch, hauptsächlich aber bezweckten sie die Förderung des guten sittlichen Betragens und die feierliche Mitwirkung an Kirchenanlässen.
Turn-Anfänge ab 1886
In der Verfassung von 1862 wurde erstmals die Vereinsfreiheit in einem eigenen Artikel verankert. In der Folge entwickelte sich allmählich ein gewisses Vereinswesen. 1886 etwa entstand in Vaduz ein Verein mit turnerischen Aktivitäten. Er bezweckte, durch «Turnübungen eine gewandte und tüchtige Mannschaft für eine künftige Feuerwehr» heranzubilden. 1890 wurde ein ähnlicher Turnverein in Triesen gegründet.
Einer der ersten wirklichen Sportvereine im Fürstentum: Der Turnverein Vaduz anno 1908. (Foto: Amt für Kultur/Landesarchiv)
Einer der ersten wirklichen Sportvereine im Fürstentum: Der Turnverein Vaduz anno 1908. (Foto: Amt für Kultur/Landesarchiv)
Schwerer Stand für Fahrradpioniere
Der Gründung der ersten Radfahrervereinigungen ab 1897 lagen für zunächst noch längere Zeit keine sportlichen Überlegungen zugrunde. Vielmehr ging es gegen Ende des 19. Jahrhunderts darum, das seinerzeitige elitäre Fahren auf den noch neuen und sehr teuren Fortbewegungsmitteln. gesellschaftsfähig zu machen. In weiten Teilen der Bevölkerung wurde das Fahrrad nämlich als unnütze Neuerung betrachtet, die auf den Strassen bloss Ärger verursacht.
Dazu ein Auszug aus den Statuen des 1898 gegründeten Radfahrervereins des Fürstentum Liechtenstein:
«Für den Fall, dass einem Vereinsmitglied beim Radfahren von jemandem ein die körperliche Sicherheit gefährdendes Hindernis in den Weg gelegt wird, oder er durch irgend eine Handlung bedroht, verletzt oder ernsthaft in Gefahr versetzt würde, so hat er hiervon unverzüglich dem Vereinspräsidenten Mitteilung zu machen. Der Präsident beziehungsweise der Ausschuss wird ihm dann die zur Verfolgung des Täters geeignetsten Schritte bezeichnen und ist jedem Mitglied verpflichtet, die Anzeige von der ihm bezeichneten Gefahr zu erstatten.»
Und auch in den Zeitungen wurde geklagt. Im "Volksblatt" am 5. Oktober 1900 hiess es etwa:
«Es dürfte am Platze sein, strenge polizeiliche Massnahmen gegen diesen immer mehr überhandnehmenden Unfug zu treffen.»
Die in den Jahren nach 1910 in den meisten Gemeinden formierten Radclubs hatten noch keinen sportlichen Hintergrund. Vielmehr bezweckten sie, ihren Mitgliedern «den Grenzverkehr gegen das Ausland zu erleichtern». 1923 schlossen sich diese Vereine zum «Liechtensteiner Radfahrerbund» zusammen.
Die erste Radaufnahme im Land betrifft den «Radfahrerverein des Fürstenthum Liechtenstein», hier in einer Aufnahme um das Jahr 1910. (Foto: Amt für Kultur/Landesarchiv)
Die erste Radaufnahme im Land betrifft den «Radfahrerverein des Fürstenthum Liechtenstein», hier in einer Aufnahme um das Jahr 1910. (Foto: Amt für Kultur/Landesarchiv)
Kopfschütteln über die ersten Sportpioniere
Als wohl erster Sportpionier gilt in Liechtenstein der Fürstliche Oberjäger Josef Negele aus Triesenberg. Er gelangte um 1895 durch seine Beziehungen nach Tirol in den Besitz von Skiern. Seine ersten Skiversuche am Berg trugen ihm jedoch blosses Entsetzen und Kopfschütteln ein. Überliefert ist dazu die Augenzeugenaussage:
«Jetzt isch ds Jegr Tonisch Buab närrscha, ar het Brittr a da Füass däna.»
Erster Skifahrer in Malbun war 1910 der Kunstmaler Friedrich Kaufmann. Auch er stiess indes mit seinen Skikünsten auf wenig Verständnis und wurde deswegen als «Spinner» und «gefehlter Student» abgetan. Zu den ersten Skipionieren des Landes zählte 1922 auch der Schaaner Ernst Risch. Da die Bevölkerung den Schuhmacher ob seiner Skifahrerei als «Spinner» titulierte, stellte dieser seine Skier zunächst wieder für einige Jahre in den Keller, weil er um den Ruf seines Geschäfts bangte.
Den Skisport allmählich salonfähig machten nach dem Zollanschluss Liechtensteins an die Schweiz im Jahre 1923 die Schweizer Grenzwächter, die unter anderem in Steg im Einsatz waren.
Erster Skifahrer in Malbun war 1910 der Kunstmaler Friedrich Kaufmann. (Foto: Amt für Kultur/Landesarchiv).
Erster Skifahrer in Malbun war 1910 der Kunstmaler Friedrich Kaufmann. (Foto: Amt für Kultur/Landesarchiv).